Wir fragten Fredy Meyer, Sozialdiakon der Kirchgemeinde Frieden Bern

Wie hat sich Ihre Arbeit als Sozialdiakon im Lockdown verändert?

Ich musste von einem Tag auf den anderen 100% im Homeoffice arbeiten, das war völlig neu für mich. Es gab jede Menge zu organisieren, Telefon und E-Mail umleiten, auf meinem privaten Computer den Zugang auf den Server in der Arbeit einrichten, Zoom installieren. Ich hatte das nie zuvor getan, aber es ging ganz problemlos. Ich führte die Gespräche mit meinen Klienten jetzt per Telefon, die Team-Sitzungen fanden online statt. Es brauchte lediglich eine Anlaufphase von rund einer Woche.

Gab es inhaltliche Verschiebungen?

Ja, die gab es. Meine Arbeit besteht aus zwei Dritteln Sozialarbeit, der Rest ist die Organisation und Durchführung von Anlässen, etwa Seniorenferien und Kulturclub. Die Anlässe wurden alle heruntergefahren und abgesagt. Ich hatte viel mehr Zeit für die Sozialarbeit. Da ich seit fast 18 Jahren für die Kirchgemeinde als Sozialdiakon tätig bin, kenne ich viele meiner Klienten seit Jahren. Sie riefen mich an wie vorher, die Nummer blieb ja dieselbe, sie wurde einfach umgeleitet, wir führten die Gespräche am Telefon, das war problemlos.

Haben sich die Themen der Beratungen verändert?

Wir haben in der Kirchgemeinde Frieden eine vielfältige Klientel, alkoholabhängige Menschen, Obdachlose, Working poor. Die Pandemie war gerade bei Menschen an der Armutsgrenze ein grosses Thema. Es meldeten sich zahlreiche neue Klienten, die ihre Stelle verloren hatten und Hilfe brauchten. Ich schrieb jede Menge Fonds-Gesuche, also Gesuche um finanzielle Unterstützung bei verschiedenen Organisationen. Das ist aufwändig, weil zahlreiche Unterlagen beigelegt werden müssen. Ich konnte die zusätzliche Zeit gut gebrauchen.

Hat sich die Situation nach dem Lockdown wieder normalisiert?

Organisatorisch ja. Ich arbeite wieder im Büro, mache aber, da ich selber zur Risikogruppe gehöre, zwei Tage pro Woche nach wie vor Homeoffice. Die Gespräche finden fast alle wieder persönlich statt. Inhaltlich sind wir noch nicht im courant normal. Die Anzahl der Unterstützungsgesuche hat bisher nicht abgenommen. Und es finden auch noch nicht alle Anlässe statt. Meine Arbeit hat sich also noch nicht wirklich normalisiert.

Welche Erfahrungen nehmen Sie aus dem Erlebten mit?

Ich hatte zuvor nie anders gearbeitet als mit einem persönlichen Gegenüber. Jetzt habe ich festgestellt, dass meine persönliche Anwesenheit für eine Beratung nicht unbedingt notwendig ist. Wenn man sich gut kennt, spielt es keine Rolle, ob man telefoniert oder sich gegenübersitzt. Bei neuen Klienten ist das anders. Erstgespräche oder ausführliche längere Gespräche führe ich nach wie vor lieber persönlich.

Fredy Meyer