Wir fragten Anna lang, Sozialdiakonin der Kirchgemeinde Bürglen

Was hat der Lockdown an Ihrer Arbeit als Sozialdiakonin verändert?

Ich erinnere mich gut an jenen Freitag. Alles wurde plötzlich stillgelegt und heruntergefahren. Am Wochenende besprachen wir im Team, was nun zu tun sei. Es war klar, dass das Einkaufen ein Thema war, und dass wir die Menschen telefonisch erreichen konnten. Also haben wir ein Netzwerk aufgebaut. Innerhalb einer Woche stand ein Notfall-Konzept und wir waren rund 10 Personen, auch Pfarrpersonen und Leute von der Kirchlichen Unterweisung. Es hat gut funktioniert. Es waren ja alle zuhause und durften nicht raus. Niemand durfte zur Arbeit, aber es gab trotzdem sehr viel zu tun.

Was hat dieses Netzwerk konkret getan?

Wir haben die Menschen angerufen und sie auf diese Weise betreut. Alle haben mitgeholfen. Ich hatte zum Beispiel die Liste von der Altersarbeit und wir haben eine Person nach der anderen angerufen. Eine Art proaktive Telefonseelsorge. Die Kolleg*Innen von der Jugendarbeit haben an die Jugendlichen einen Brief verschickt, dass sie Zeichnungen machen sollen als Geschenk für betagte Menschen. Die haben wir per Post verschickt. Es sind daraus sogar einzelne Brieffreundschaften entstanden. Und die Pfarrer haben Predigten verschickt. Das war ein grosser Erfolg.

Haben Sie Angebote aus dieser Zeit mitgenommen?

Es sind viele neue Ideen entstanden. Nach dem Lockdown haben wir überlegt, wie wir die sozialen Kontakte wieder hochfahren könnten. Wir haben zum Beispiel den „Offenen Kirchgarten“ geschaffen. Wir haben Tische und Stühle in den Kirchgarten gestellt und die Leute eingeladen, sich hier zu treffen. Zwei Mal wöchentlich von 9 bis 11 Uhr war jemand von uns da. Oft sind um 10 Leute gekommen, und wir haben zusammen geplaudert oder auch Boule gespielt. Wir haben geplant, den Kirchgarten für nächstes Jahr noch attraktiver und einladender zu gestalten.

Einmal pro Woche bieten wir Spaziergänge an. Auch dieses Angebot werden wir weiter ausbauen. Die Kirchgemeinde Bürglen umfasst 7 politische Gemeinden, in denen es viel zu entdecken gibt. Nächstens werden wir einen Aufruf starten. Wir suchen Menschen, die etwas über ihr Dorf wissen, darüber erzählen und es andern zeigen können.

Wie sieht Ihre Arbeit heute aus?

Wir haben die Anlässe vorsichtig wieder hochgefahren. Es gibt Menschen, die sehnlichst darauf gewartet haben. Andere zögern noch. Es ist immer noch viel Unsicherheit und Angst spürbar.

Meine Planung hat sich verändert. Früher habe ich immer ein Halbjahresprogramm erstellt. Heute ist das nicht mehr sinnvoll. Ich plane von Monat zu Monat. Das ist eine Herausforderung. Nicht nur für mich, sondern auch für die Interessierten, die sich jetzt kurzfristiger informieren müssen.

Welche Erkenntnisse nehmen Sie aus dem Erlebten mit?

Wenn nochmals etwas Ähnliches kommt, werden wir uns von Anfang an mit anderen Organisationen koordinieren. Auf die Idee, für Risikopersonen Einkäufe zu erledigen, kamen ja zum Beispiel viele gleichzeitig. Da muss nicht jeder etwas Eigenes hochfahren.

Mir ist wieder einmal klar geworden, wie wichtig Beziehungsarbeit ist. Sie ist das Wichtigste überhaupt. Und ich habe die Krise auch als Chance wahrgenommen, alte Gewohnheiten zu hinterfragen und etwas Neues anzupacken.

Anna Lang mit Abba