Zwei Vereine – ein Anliegen
Interview mit Daniela Wäfler, Vorstand VSD und Stephan Loosli, Vorstand sdv, erschienen im Magazin ENSEMBLE Nr. 30 vom Juli 2018
Der ältere Verein ist der Verein Sozialdiakonie Stadt Bern VSD. Er engagiert sich für die Angestellten im Gebiet der Stadt Bern. Seit 2014 vertritt der Sozialdiakonische Verein sdv die Anliegen aller Sozialdiakoninnen und Sozialdiakone, die im Gebiet der Refbejuso arbeiten. Er ist das Organ aller in der Sozialdiakonie Angestellten in Gesprächspartnerschaft zum Synodalrat und zu den Bereichsleitungen der Landeskirche. Stephan Loosli, Sozialdiakonie und Fachstelle KUW KinderJugend der Kirchgemeinde Grosshöchstetten, beantwortet die Interviewfragen zum sdv, Daniela Wäfler, Sozial und Beratungsdienst der Kirchgemeinde Johannes Bern, die zum VSD.

Stephan Loosli
Vorstand sdv

Daniela Wäfler
Vorstand VSD
Was ist das Besondere an beiden Vereinen?
Daniela Wäfler: Neben den Vorstandssitzungen, Haupt- und Mitgliederversammlungen ist der VSD zusätzlich in Fachgruppen organisiert. Die Fachgruppe Sozialberatung kümmert sich vor allem um Fragen rund um die Sozialberatung, die einen wichtigen Teil der sozialdiakonischen Arbeit in der Gesamtkirchgemeinde Bern ausmacht. Die Fachgruppe Migration und Interkultur führt Weiterbildungen zum Thema Rassismus durch, diskutiert über die Beratung mit SansPapiers etc. Die Fachgruppe Alter ist gut vernetzt mit wichtigen Playern in der Stadt und erstellt gemeinsame Broschüren. Neben den erwähnten Fachgruppen gibt es noch weitere, z. B. die Fachgruppe GWA (Gemeinwesenarbeit). Alle in der Sozialdiakonie Tätigen werden automatisch aufgenommen, wenn sie bei der Gesamtkirchgemeinde Bern arbeiten.
Stephan Loosli: Im sdv finden Menschen mit oder ohne kirchliche Anstellung ein offenes Ohr. Anliegen, Fragen, Herausforderungen werden gegenüber den gesamtkirchlichen Diensten vertreten und eingebracht. Der sdv ist Ansprechpartner für die gesamtkirchlichen Dienste. Gemeinsam werden Trends und Anliegen erörtert. Die Mitarbeit im sdv und die Tagungen werden in der Freizeit und somit ausserhalb der Anstellung geleistet. Der Verein steht allen Angestellten Sozialdiakonie offen. Die Mitglieder sind meist reformiert, können aber auch anderen Konfessionen angehören. Im Moment sind 40 Frauen und Männer Mitglieder.
Wozu braucht es den Verein?
Daniela Wäfler: Jede Kirchgemeinde innerhalb der Gesamtkirchgemeinde Bern ist autonom. Der Verein stellt sicher, dass der Kontakt unter den in der Sozialdiakonie Tätigen besteht, gefördert wird und Synergien genutzt werden. Es ist ein Gewinn für alle, Anlässe und Projekte mit mehreren Kirchgemeinden zusammen zu realisieren. Den Verein braucht es, um eine hohe Qualität der Arbeit sicherzustellen und als Stimme der Sozialdiakonie bei der Gesamtkirchgemeinde Bern aufzutreten. Der VSD hat Einsitz in der Präsidentenkonferenz, bei Plenumssitzungen mit politischen Behörden der Stadt, im Strukturdialog oder bei der soeben durchgeführten Wahl einer Person für die neu geschaffene Fachstelle Diakonie bei der Gesamtkirchgemeinde.
Stephan Loosli: Der sdv wehrt sich gegen falsche Sparübungen und setzt sich für ein vielfältiges Ämterverständnis in den Kirchgemeinden ein. Er vertritt die gesellschaftlichen Dringlichkeiten aus Sicht der Menschen, der Benachteiligten und der kirchlichen Mitarbeitenden. Die bestens ausgebildeten Frauen und Männer können in den Kirchgemeinden fachlich und menschlich Wesentliches beitragen.
Was beschäftigt den Verein?
Daniela Wäfler: Der Verein ist durch den Strukturdialog der Stadtberner Kirchen im Umbruch. Die Fachstelle Diakonie wird nun Realität. Das hat zur Folge, dass sich der Verein mit der Fachstelle zusammen neu orientiert. Uns beschäftigt der Stellenwert der Sozialdiakonie in einer sich verändernden Kirchenlandschaft. Oft ist zu wenig bekannt, wie wichtig die Sozialdiakonie in einer modernen, lebendigen Kirche ist. Wir werden häufig nicht miteinbezogen und müssen uns die Mitsprache erkämpfen. Unser Wunsch ist es, dass dies geändert wird und wir bei Kirchenpolitikern nicht die «Pfarrhelferinnen» sind, sondern eine eigenständige, zentrale Berufsgruppe.
Stephan Loosli: Die drei Ämter «Katechetik», «Sozialdiakonie» und «Pfarramt» sollten sich teamorientiert ergänzen. Wie geschieht dies am besten? Wie gehen wir mit der Tatsache um, dass sich die Gesellschaft immer weiter vom solidarischen Sozialstaat entfernt? Welche Unterstützung brauchen Sozialdiakoninnen und -diakone? Wie können wir Kirchgemeinden auf die Chance einer sozialdiakonischen Stelle aufmerksam machen? Wie wirkt sich die neue Ausbildung zur Sozialdiakonin / zum Sozialdiakon mit Gemeindeanimation HF für die kirchliche Sozialdiakonie und für Refbejuso aus? Wie finden sozialdiakonische Anliegen und Fragestellungen Eingang in die Diskussion und Entscheidungsfindung in strategischen Gremien der Kirche? Wie kann die gesamtgesellschaftliche Leistung der Sozialdiakonie besser kommuniziert werden?
Was beschäftigt Sozialdiakoninnen und Sozialdiakone?
Daniela Wäfler: Das kommt darauf an, in welchem Aufgabengebiet man tätig ist. In der Sozialberatung Tätige beschäftigt die Sozialpolitik mit den Sparmassnahmen. Für Mitarbeitende im Migrationsbereich ist die Asylpolitik oder die prekäre Situation der Sans-Papiers eine Sorge. Die Fachgruppe Alter wiederum beschäftigen die Vereinsamung vieler Rentner und Rentnerinnen oder die von Armut betroffenen alten Menschen.
Stephan Loosli: Wo plane ich die nächste Seniorenferienwoche oder wie fördere ich Freiwillige? Wie kann ich junge Menschen in der Jugendarbeit begleiten und unterstützen oder wie können sie ihre Lebens und Glaubenskultur in der Kirche einbringen? Wie vernetze ich sinnvoll kirchliche Angebote und welche Werbung wird beachtet? Welche Angebote helfen, Vereinsamung zu vermeiden, und wie kann ich das Thema Flüchtlinge und Ausländer sinnvoll in der Gemeinde einbringen? Wie fasse ich mit kleinen Teilzeitstellen Fuss in der Gemeinde?
«Von Gott bewegt. Den Menschen verpflichtet.» Was bedeutet das für die Sozialdiakonie?
Daniela Wäfler: Der VSD hat ein Grundlagenpapier Sozialdiakonie mit drei Maximen erarbeitet: unterstützende Diakonie, die Betroffenen das Leben erleichtert, verändernde Diakonie, die Betroffene befähigt, ihre Lebenssituation aktiv zu bewältigen, und anwaltschaftliche Diakonie, die gegenüber Politik, Staat und Behörden die Anliegen Betroffener vertritt respektive auf ihre Existenz aufmerksam macht.
Stephan Loosli: «Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist.» Der Ausspruch von Dietrich Bonhoeffer drückt aus, was die Vision erneut formuliert. Diese Vision will und muss gelebt werden. Es geht um jeden Menschen, alle sind wertvoll und die Motivation für den Menschen liegt letztlich in Gott. Es geht nicht um Selbstverwirklichung, sondern darum, so zu leben, dass ein Miteinander und Füreinander entsteht. «Von Gott bewegt. Den Menschen verpflichtet.» – Das ist eine sozialdiakonische Vision, und wir verstehen uns als Teil der Vision unserer Kirche.