Hellwach in der dunklen Nacht

Der Alltag wirkt immer überfordernder: die dauernden Informationen und Termine, der tägliche Stress. Wer hat noch Zeit für sich? Wer geht in den Wald, setzt sich hin und kommt zu sich selbst? Genau diese Gelegenheit bot mir das Wildniscamp: Im Wald mit Plane und Schnur einen eigenen Unter­schlupf bauen. Einen Abend und eine Nacht unter freiem Himmel verbringen. Ganz allein!

Meine Solo­Zeit beginnt. Ich stehe auf, nehme Wasser, eine Taschenlampe und den Schlafsack mit. An meinen Platz im Wald setze mich hin. Es wird langsam dunkel, ich höre einen Vogel pfei­ fen, in der Entfernung rauscht ein Bach. Mir wird langweilig, ich stehe auf und schaue mich um, finde aber nichts und setze mich ernüchtert in mein bescheidenes Lager. Plötzlich sehe ich nichts mehr. Alles ist ruhig geworden. Nur das leise Zir­pen einer Grille ist noch zu hören. Mir kommen Gedanken, einige lassen sich festhalten. Ich sehe die Sterne, höre ein Rascheln, und schon springt ein Reh durch den Wald – ich erschrecke. Auf ein­mal ist es stockdunkel, und die Äste und Blätter bilden sonderbare Gestalten mit langen Armen. Ich höre jedes Blatt zu Boden schweben, die Mücken um mein Ohr surren, die Würmer, die sich in das morsche Holz fressen. Der dunkelste Mo­ment der Nacht ist da – ich habe Angst. Trotzdem gehe ich zu einem Punkt in der Nähe meines Nachtlagers, wo kein Lichtstrahl mehr hinkommt, und lege mich hin. Mein Herz schlägt schnell. Ich bleibe einige Sekunden liegen, stehe auf und lege mich zurück in meinen Schlafsack, wo ich innert Sekunden einschlafe. Meine Träume sind klar und von starken Bildern geprägt. Ich sehe ein grosses Feuer, mir wird warm. Im nächsten Augenblick bin ich wach und die Sonne scheint bereits durch das Grün der Blätter. Ich mache mich auf den Weg zurück zum Haus.

Jeder junge Erwachsene hat in dieser Nacht etwas Besonderes erlebt. Wohl jeder verspürte Angst und konnte zugleich ein Feuer in sich ent­decken, einen weiteren Schritt in seinem Leben machen, Verantwortung übernehmen und viel­leicht sogar ein Ziel finden. Auch ein Jahr nach meinem Besuch im Wildniscamp darf ich täglich von diesen Erlebnissen profitieren. Auch in diesem Sommer bin ich dabei.

wildAway |  Starke Jungs –  Starke  Männer

Ein generationenübergreifendes Projekt, das sich an Jungen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren so­wie an erwachsene Männer richtet. Im Outdoor­ Männerseminar begeben sich Erwachsene für eine persönliche Auszeit allein in die Natur. Die Jungen verbringen im Wildniscamp eine Nacht allein unter freiem Himmel. Alle Teilnehmer werden durch einen tiefgehenden Prozess in ihrer Ent­wicklung gestärkt. Sie setzen sich mit ihrem Mann­Sein auseinander und werden auf dem Weg zu einer verantwortungsbewussten und ausbalan­cierten Männlichkeit unterstützt.

Mentoring

Erwachsene Männer können sich als Mentoren engagieren und Jungen im Wildniscamp unter­stützen und begleiten. Als Vorbereitung dafür dient die Teilnahme am Outdoor-­Männerseminar und an einem Mentoren -Training.

«wildAway» ist ein Projekt der reformierten Kirchgemeinde Köniz und von NaturSpirit.ch. Be­teiligt sind die Kirchgemeinden Belp, Biel­/Bienne, Burgdorf und Oberbipp. wildAway wird von den Reformierten Kirchen Bern­-Jura­-Solothurn und dem Verein wild side unterstützt. Projektverant­wortlicher ist Philippe Häni, Sozialdiakon der Evang.­ref.  Kirchgemeinde Köniz.

Text: Emil Javor

Der 18-jährige Emil Javor (links) mit seinem Mentor.

Weitere Informationen

Das Projekt WildAway zum Herunterladen (PDF)

Unter «Die Vision lebt!» werden jeweils Kirch­gemeindeprojekte porträtiert, die in der Sozialdiakonie­Konferenz 2019 vorgestellt wur­den:

Dokumente zum Umsetzen der Vision