Elterliche Sorge nach der Trennung

Jannik und Sarah haben eine Mutter und einen Vater. Ihre Eltern, Isabelle und Stefan, waren zwar nie miteinander verheiratet, haben aber zeitweilig zusammen gewohnt. Nachdem Stefan ausgezogen war, teilten Sie sich die Betreuungszeiten zu möglichst gleichen Teilen weiterhin auf. Gemeinsam Eltern sein hatte für sie beide hohe Priorität. Ihre Beziehungskonflikte sollten sich nicht auf die Kinder auswirken. Nach Inkrafttreten der neuen Sorgerechtsregelung im Juli 2014 beantragten Sie die gemeinsame elterliche Sorge. Nun sind Isabelle und Stefan auch rechtlich als Eltern gleichgestellt.

In letzter Zeit nimmt Isabelle vermehrt mit Sorge zur Kenntnis, dass Stefan die Betreuungszeiten verschieben muss. Seine Begründungen klingen für Isabelle manchmal wie Ausreden. In grauen Momenten sieht sie sich bereits als Alleinerziehende von Jannik und Sarah, die inzwischen 9 und 11 Jahre alt sind.

Stefan verreist nun auch häufiger in die USA, sein Heimatland. Darauf von Isabelle angesprochen gibt er sich vage und beschwichtigend. Monate später erzählen die Kinder, dass der Papa häufig telefoniere, wenn sie bei ihm seien. Ob er eine Frau kennengelernt hat oder sich beruflich verändern möchte, ist nicht klar. Als Jannik seiner Mutter erzählt, der Papa habe ihn gefragt, ob er mit ihm zu seinen Grosseltern nach Seattle reisen möchte und Lust habe, vielleicht eine Weile dort zu bleiben, schrillen bei Isabelle alle Alarmglocken. Nun will sie wissen, was sie tun kann, damit sie nicht von ihren Kindern getrennt wird. Dass sie sofort einverstanden war, Stefan an der gemeinsamen Sorge teilhaben zu lassen, bereut sie bereits.

Isabelle hat sich informiert und weiss nun, dass Stefan nur mit ihrer Einwilligung den Wohnsitz ihrer Kinder verlegen dürfte (Artikel 301a Abs. 1 und 2 ZGB). Sie erfährt ausserdem, dass sie zum Zeitpunkt der Beantragung der gemeinsamen elterlichen Sorge keine Gründe hätte vorbringen können, Stefan von der gemeinsamen Sorge auszuschliessen (Artikel 298b ZGB). Dass sie keine Vorkehrmassnahmen versäumt hat, beruhigt sie ein wenig.

Für Isabelle stellt sich nun die Frage, ob ihr der Artikel 301a ZGB, der das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Kinder bei gemeinsamer elterlicher Sorge regelt, genügend Rechtssicherheit gibt. Was passiert, wenn Stefan nun einfach mit Jannik nach Seattle fliegt und nicht zurück kommt? Sollte sie vorsichtshalber die Pässe der Kinder verstecken oder kann sie noch weitere Vorkehrungen treffen?

Zunächst könnte Isabelle sich an eine Beratungsstelle wenden und mit der Hilfe einer Fachperson ihre Situation reflektieren: Besteht die Möglichkeit Stefan zur Teilnahme an einem klärenden Gespräch mit einer Fachperson zu gewinnen? Kann Isabelle offen über ihre Ängste und Bedenken gegenüber Stefan sprechen? Sind beide Eltern bereit das Wohl ihrer Kinder ins Zentrum zu stellen und falls ja, was wäre für Jannik und Sarah die beste Lösung? Diese Fragen könnten die Eltern bei der Suche nach einer für alle Beteiligten optimalen Lösung leiten. Sollten sich allerdings Isabelles Ängste bestätigen und Stefan richtet sein Handeln ausschliesslich nach seinen Bedürfnissen aus, wäre Isabelle gut beraten, sich rechtliche Informationen und Unterstützung zu holen.

Ein Artikel der Beratungsstelle frabina

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