Vaterschaftsanerkennung von Kindern über Grenzen hinweg
Jedes fünfte Elternpaar ist in der Schweiz nicht miteinander verheiratet (Statistisches Bundesamt 2016). Doch unabhängig vom Familienstand ist und bleibt die Geburt eines Kindes für die Eltern ein bewegendes verbindendes Erlebnis. Wie aber geht es den Müttern und Vätern, die die Geburt ihres Kindes nicht gemeinsam erleben können oder in einigen Fällen dieses auch gar nicht möchten.
Lisa freute sich auf die baldige Geburt ihres Kindes. Unerfreulich war für sie allerdings die Situation mit ihrem Partner. Plötzlich behauptete dieser nicht der Vater ihres Kindes zu sein und verliess die Schweiz ohne Mitteilung seines neuen Aufenthaltsortes. Zunächst brach für Lisa eine Welt zusammen, hatten sie doch bereits sehr konkrete Pläne für die gemeinsame Zukunft geschmiedet und über Heirat gesprochen.
Nach dem ersten Schock blickt Lisa wieder zuversichtlich in die Zukunft. Sie hat ein breites unterstützendes Umfeld und sieht die positiven Aspekte der Lebensform Einelternfamilie. Trotzdem sucht sie eine Beratungsstelle auf, denn sie möchte sicher gehen, dass sie für ihr Kind alles richtig macht. Lisa erfährt, dass sie bei der KESB (Kindes-und Erwachsenenschutzbehörde) Unterstützung erhalten wird. Schon vor der Geburt ihres Kindes kann sie zur KESB ihrer Wohnsitzgemeinde Kontakt aufnehmen. Diese wird einen Beistand ernennen, der Lisa dabei unterstützt, den Anspruch ihres Kindes auf Feststellung der Vaterschaft geltend zu machen. Lisa muss alle für sie zumutbaren Schritte unternehmen, den Aufenthaltsort des Kindesvaters zu ermitteln. Sie kann versuchen über gemeinsame Bekannte Informationen über die Pläne ihres Ex Partners zu erhalten. Möglicherweise kann sie Kontakt zu Verwandten in seinem Heimatland aufnehmen und etwas über seinen Aufenthalt erfahren. Gelingt es nicht, den Vater ausfindig zu machen, wird der Beistand Lisa dabei unterstützen die Vaterschaft gerichtlich feststellen zu lassen. Ist der Vater des Kindes nicht erreichbar, wird die Klage im Amtsblatt publiziert. Reagiert der Vater innert der angesetzten Frist nicht, wird der Prozess auf Feststellung der Vaterschaft in Abwesenheit des Beklagten geführt. Je nach Ausgangslage z. B. Ausbildungsstand des Vaters, seinen beruflichen Möglichkeiten, kann der Vater auch zu Alimenten verpflichtet werden, die bevorschusst werden bis der Vater zur Zahlung veranlasst werden kann. Beruhigt verlässt Lisa die Beratungsstelle. Während des Gesprächs sind ihr bereits einige Ideen gekommen wie sie doch noch etwas über den Verbleib ihres Ex Partners erfahren kann. So hat sie einige alte Briefe und Notizen gefunden mit Telefonnummern und Adressen, denen sie jetzt nachgehen kann. Vielleicht weiss auch sein ehemaliger Arbeitgeber etwas. Ihr Ex-Partner hat vor seiner Ausreise als Geschäftsführer in einem Restaurant gearbeitet. Es ist davon auszugehen, dass er bei einer Rückkehr in die Schweiz eine gut bezahlte Anstellung finden würde und somit in der Lage wäre Alimente zu zahlen. Eine gute Voraussetzung für Lisa und den Beistand ihres Kindes beim Gericht Alimente zu fordern. Das Beistandswesen ist kantonal geregelt. Deshalb sollten Betroffene in jedem Fall in ihrem Kanton Kontakt zur KESB aufnehmen.
Ute lernte während ihres Austauschjahres in Chile Jorges kennen. Sie verbrachten eine innige Zeit miteinander und doch war beiden klar, dass sie ihre Beziehung mit Utes Rückkehr in die Schweiz beenden würden. Zurück in der Schweiz stellte Ute ihre Schwangerschaft fest. Ein äusserst ungünstiger Zeitpunkt für sie, die seit ihrer Rückkehr auf Arbeitsuche ist. Aber ein Leben als alleinerziehende Mutter konnte sie sich gut vorstellen. Jorge musste sich an den Gedanken gewöhnen Vater eines Kindes zu sein, dass so weit entfernt aufwachsen würde war aber sofort bereit im Rahmen seiner Möglichkeiten Verantwortung als Vater zu übernehmen. Der erste Schritt zur gemeinsamen Elternschaft erfolgte durch die Anerkennung der Vaterschaft am Wohnsitz des Kindes. Jorge reichte die für die Anerkennung notwendigen Unterlagen (Geburtsurkunde, Zivilstandesnachweis, Wohnsitzbestätigung, Kopie seines Passes) bei der Schweizer Botschaft in Chile ein. Die Schweizer Botschaft leitete die Unterlagen an das zuständige Zivilstandsamt in der Schweiz weiter, welches die Registrierung vornimmt. Als Jorge seine Tochter Marisa sechs Monate nach deren Geburt in der Schweiz zum ersten Mal sieht, ist er bereits als Vater in ihrer Geburtsurkunde registriert. Ute und Jorge nutzen nun die gemeinsame Zeit in der Schweiz um mit Hilfe der KESB einen Unterhaltsvertrag zu vereinbaren. Anhand des Einkommens von Jorge werden Alimente für Marisa vereinbart, die gemäss seinem Einkommen in Chile für ihn zumutbar sind. Wegen der grossen geografischen Distanz verzichten die Eltern auf die Ausübung der gemeinsamen Sorge und auf ein festgelegtes Besuchsrecht. Sie vereinbaren jedoch regelmässige gegenseitige Besuche damit Vater und Tochter eine Beziehung aufbauen können.
Ein Artikel der Beratungsstelle frabina