Die Probleme Jugendlicher - Fakten und Hilfe

Zum zweiten Mal trafen sich im Rahmen von Diakonie vernetzt sozialdiakonisch Arbeitende aus verschiedenen Kirchgemeinden im Haus der Kirche, um sich mit Fachleuten auszutauschen und untereinander zu vernetzen. Der Fokus lag diesmal auf dem Thema Jugend.

Die Fakten und Zahlen, die Tom Bögli, ensa-Trainer und Instruktor, in seinem Referat zum Thema Psychische Gesundheit aufzeigte, gaben zu denken.  Laut einer Umfrage des Kommunikationsforschungsinstituts GfS Bern, im Auftrag der Kampagne «Wie geht es dir?», leiden 64 Prozent der Menschen unter 18 Jahren an sehr hoher oder hoher psychischer Belastung. Zum Vergleich: bei den 18-39-Jährigen sind es 48%, bei den 40-64-Jährigen 39% und bei den über 65 Jährigen noch 27%. 

In der Alterskategorie der 15 bis 24-Jährigen leidet jeder Vierte an einer psychischen Erkrankung, hauptsächlich Depression, Angststörungen, Essstörungen oder Traumafolgen. Bei den jungen Frauen stieg die Suizidrate, bei den jungen Männern die Neigung zu Substanzkonsum, Gaming, übermässige Gereiztheit und Impulsivität. Der Notruf 147 für Kinder und Jugendliche der Pro Juventute, verzeichnete 2021 täglich 7 bis 8 Anrufe von Jugendlichen mit Suizidgedanken – der weitaus häufigste Grund für einen Anruf.

Was die Jugendlichen belastet

Der Stress, dem Jugendliche ausgesetzt seien, sei extrem hoch, sagte Bögli. Denn in der Pubertät und bis 25 baut sich das gesamte Gehirn um – bei vollem Betrieb. Pubertierende Menschen sind dadurch impulsiv und risikobereit. Sie können weniger die Konsequenzen ihres Verhaltens einschätzen oder vernünftige Entscheidungen treffen: ihr Gehirn ist dazu nicht in der Lage. Zudem erleben sie Vieles zum ersten Mal. Das ist Stress.

Pubertäres Verhalten sei oft ähnlich wie die Symptome psychischer Erkrankung, erklärte Bögli. Die Anzeichen psychischen Erkrankung: eine auffällige Veränderung von Gedanken, Gefühlen und Verhalten, so dass sowohl die Alltagsbewältigung als auch die Beziehungsfähigkeit gestört sind und der Leidensdruck hoch ist. Dies über einen längeren Zeitraum (z.B. für die Diagnose Depression länger als 14 Tage).

Früherkennung und Erste Hilfe

ensa bietet Erste Hilfe-Kurse für die psychische Gesundheit Jugendlicher an. Hier geht es zum einen um die Früherkennung psychischer Erkrankung, denn drei Viertel der Betroffenen zeigen erste Episoden vor dem 25. Lebensjahr. Es geht aber vor allem auch um Erste Hilfe. Denn je früher geholfen wird, desto besser die Prognose.

Refbejuso bietet ensa-Kurse für Amtsträger*innen, Mitarbeitende und Freiwillige an. Kirchgemeinden können die Kurse auch in ihre Kirchgemeinde holen und dort anbieten.

 Schwierigkeiten in der Lehre oder beim Berufseinstieg

Die Umstellung von der Schule in die Berufswelt führt in vielen Fällen über eine Berufslehre. Hier treffen Jugendliche manchmal auf ungewohnte Herausforderungen. Gérald Mathieu, Programmleiter von Job Caddie Bern, berichtete in seinem Referat von möglichen Schwierigkeiten im Lehrbetrieb und beim Übertritt von der Lehre in die Berufswelt. Er unterschied zwischen dem Wechsel des Lehrbetriebs während der Lehre (nach einer Lehrvertragsauflösung) und dem Abbruch der Lehre (Lehrabbruch), wenn sich die getroffene Berufswahl als nicht geeignet erweist. Auch nach erfolgreichem Abschluss der Lehre kann der Bewerbungsprozess für junge Erwachsene mit Schwierigkeiten verbunden sein.  

Job Caddie  unterstützt

Job Caddie arbeitet mit speziell ausgebildeten Mentorinnen und Mentoren aus verschiedenen beruflichen Branchen. Sie unterstützen und begleiten die Jugendlichen bei Schwierigkeiten während der Lehre und beim Berufseinstieg nach Abschluss der Berufslehre. Bevor ein Mentorat eröffnet wird, werden die Jugendlichen zu einem Gespräch eingeladen. Manchmal reiche dies bereits aus, um die gewünschten Lösungsansätze zu erarbeiten, sagte Mathieu. Er stelle immer wieder fest, dass sich die jungen Menschen nicht über ihre Stärken, Fähigkeiten und  Talente bewusst sind. Hier ist es aus der Sicht von Mathieu wichtig, sie auf ihre Fähigkeiten aufmerksam zu machen, sie ihre Talente und Möglichkeiten erkennen zu lassen.

«Wir versuchen, jeden Jugendlichen in seiner Welt wahrzunehmen», sagte Mathieu. «Wir fokussieren uns auf die vorhandenen Ressourcen der Jugendlichen und bestärken sie in ihren Ideen und Visionen. Menschen investieren am ehesten in Lösungen, welche sie selber entwickelt haben».

Am Puls der Zeit

In der an die Referate anschliessenden Diskussionsrunde wurde klar, wie gegenwärtig die Themen bei den diakonisch arbeitenden Personen in den Kirchgemeinden sind. Viele praktische Fragen kamen auf, Betroffenheit und Dankbarkeit, dass die beiden Referenten Wege zur Unterstützung anboten.

Tom Bögli (links) und Gérald Mathieu (rechts) in Diskussion mit den Teilnehmenden.