Wenn langjährige Partnerschaften zerbrechen

Ehekrise, Trennung, Scheidung – Menschen, die in der diakonischen Beratung tätig sind, werden immer wieder damit konfrontiert. Entsprechend gross war der Andrang zum Lunch am Puls zu diesem Thema. Die Referentin Pasqualina Perrig-Chiello beleuchtete das Scheitern langjähriger Ehen und zeigte auf, wie eheliche Krisen bewältigt und vermieden werden können.

Pasqualina Perrig-Chiello hielt ihr Versprechen, das sie ganz zu Beginn ihres Referats gab: Die Zuhörenden verliessen den Saal am Ende fröhlich und leichten Herzens - trotz des unerfreulichen  Themas. So erschreckend die Zahlen waren, die Perrig zeigte, so hoffnungsvoll waren ihre Rezepte für eine glückliche, langjährige Partnerschaft.

Es sind die Frauen, die gehen

Die Zahlen sind krass: Es sind vor allem ältere Ehen von Scheidung betroffen (das häufigste Alter ist um 50). Die Scheidungsrate von Ehen mit einer Dauer von 25 und mehr Jahren hat sich seit 1970 verdreifacht. Früher hätten es sich die meisten Frauen schon rein aus wirtschaftlichen Gründen nicht leisten können, aus einer Ehegemeinschaft auszubrechen, erklärte Perrig. Heute sei das anders. Die Frauen haben Berufe und Sozialversicherungen und können gehen, wenn es für sie nicht mehr geht. Die Zahlen zeigen, dass es überwiegend die Frauen sind, die eine Trennung initiieren. Rund 30% der Betroffenen geben an, dass die Entscheidung unerwartet kam. Perrig: „Der grösste Fehler ist, sich allzu sicher zu fühlen."

Zu hohe Erwartungen

Einen Hauptgrund für das Scheitern von Partnerschaften sieht Perrig in den hohen Erwartungen. Ehen waren noch bis im letzten Jahrhundert Zweckgemeinschaften. Von der modernen Liebesehe hingegen wird verlangt, dass sie Geborgenheit, Intimität und emotionale Sicherheit spendet. Jeder fordert sein Recht auf persönliches Glück, die Ansprüche an Liebe und Sexualität sind hoch, die Alternativen dank liberaler Wertevorstellungen und Internet verlockend.

Dennoch – und das mag erstaunen – ist der Hauptgrund für Trennungen die (schleichende) Entfremdung. Man hat sich auseinandergelebt. Chronischer Stress und Streit kommen an zweiter Stelle. Man hält es nicht mehr aus. Erst an dritter Stelle steht Untreue des Partners, und dabei geht es nicht primär um sexuelle Untreue, sondern um aussereheliche Liebesbeziehungen.

Wege der Bewältigung

Ein Drittel der Menschen, die eine Scheidung hinter sich haben, erholt sich schnell und gut, so Perrig. Rund die Hälfte brauche länger, etwa zwei Jahre, erhole sich aber auch. 20 % jedoch haben anhaltende psychische Probleme. Beim Umgang mit dem kritischen Lebensereignis zeigt sich ein klarer Geschlechterunterschied. Während Frauen bei Freunden, Familie und Psychologen Hilfe und Unterstützung suchen, meinen vor allem Männer über 60, allein damit fertig werden zu müssen. Bei jüngeren Männern (40-59) ist das bereits besser. Sie nehmen Hilfe an. Laut Perrig ein Generationen-Effekt, der sich voraussichtlich verflachen wird.

Ein Unterschied zwischen Mann und Frau zeigt sich auch in der Tatsache, dass sich beide nach einer Scheidung zwar gleichermassen wieder nach einer Beziehung sehnen. Dennoch gehen die Männer häufiger und schneller wieder eine Partnerschaft ein. Sie wünschen sich dabei hauptsächlich einen gemeinsamen Haushalt, während die Frauen an einem Zusammenleben weniger interessiert sind.

Rezepte zum Glück

Eine gute Ehe zeichnet sich dadurch aus, dass die Eheleute gemeinsame Ziele und Werte haben, sich aber gleichzeitig Raum lassen, für die eigene Entwicklung. Auf die Dauer sind Krisen eher die Regel als  die Ausnahme.  Es geht also darum, Krisen als das wahrzunehmen, was sie sind: Als Zeichen, dass Korrekturen angebracht sind. Perrig zeigte die 5 Schutzfaktoren einer Ehe (nach John Gottman) auf:

  • Interesse (am anderen)
  • Bestätigung
  • Zuneigung
  • Freude
  • Humor

Interessant waren die Resultate aus einer Befragung von Verheirateten und Geschiedenen, was ihr Rezept sei für eine lange Ehe. Beide Gruppen setzten mit Abstand die Kommunikation an erste Stelle, gefolgt von Respekt, Vertrauen und Gemeinsamkeiten. Die Schlusslichter sind Sexualität und Glaube. Trotz all der Tipps dürfe man nie vergessen, dass es auch immer eine Portion Glück brauche, schloss Perrig ihr Referat. Und dem Glück könne man auf die Sprünge helfen.

Pasqualina Perrig-Chiello ist emeritierte Honorarprofessorin für Entwicklungspsychologie an der Universität Bern

 

Text: Susanne Thomann
Foto: Matthias Hunziker

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