Gott lacht

In der Pauluskirche Bern fand am ersten Sonntag im September «ein etwas anderer Gottesdienst» statt. Pfarrer Uli Geisler und eine Gruppe Freiwilliger gestalteten einen Anlass speziell für demenzbetroffene Menschen, Angehörige und alle anderen.

«Ob ich sitze oder stehe, ob ich gehe oder liege, du kennst meinen Weg», so steht es in Psalm 39 in der Bibel geschrieben. Pfarrer Uli Geisler zitierte diese Passage als Auftakt für den Anlass «Ein etwas anderer Gottesdienst – für Demenzbetroffene und Angehörige, Gedächtnisfreaks und Vergessliche, Gewöhnliche und Spezielle.» Als langjähriger Heimseelsorger kennt er die Bedürfnisse Demenzbetroffener. Er setzte in diesem speziellen Gottesdienst auf vereinfachte Botschaften, kurze Sätze und Musik. Organist Lee Stalder spielte an der kleinen Orgel, so dass die Kirchengänger:innen ihn sehen konnten. «Das ist nachvollziehbarer», so Geisler. Spontan entschied er sich, dass alle bei den gesungenen Liedern für einmal sitzen bleiben durften, damit nicht sofort ersichtlich ist, wer fit ist und wer nicht.

Abraham und Sara

Als Leitmotiv zog sich das Thema Humor durch den Gottesdienst. Zwei Abendveranstaltungen waren dem Anlass vorausgegangen, wobei die Pauluskirche mit dem Verein «Alzheimer Bern», zwei Pflegefachpersonen resp. Expertinnen in der Betreuung von Demenzbetroffenen sowie mit Vertreter:innen des Altersheims «Mon Soleil» zusammengespannt hatte. Sibylla Wetli, Heimleiterin Alters- und Pflegeheim «Mon Soleil» war es schon immer ein Anliegen, dass ihre Bewohnerinnen und Bewohner als Teil des Quartiers wahrgenommen werden. Viele hätten ein Verlangen nach Spiritualität. «Ich habe Herrn Geisler angefragt, ob er bereit wäre, einen demenzfreundlichen Gottesdienst in der Kirche Paulus zu veranstalten. Er war begeistert von der Idee.»

Natalie Hamela von «Alzheimer Bern» hatte den Input geliefert, dass mehr Leichtigkeit guttue. Auch auf «weniger ist mehr» einigte sich die Projektgruppe. «Zu viele Programmpunkte wirken auf Demenzbetroffene rasch überfordernd», so Hamela. Geisler entschied sich für die Geschichte von Abraham und Sara, die er in vereinfachter Form wiedergab. Das betagte Paar lebte in einem Beduinenzelt und bekam eines Tages Besuch von drei Männern, denen es Essen und eine Waschmöglichkeit anbot. «In einem Jahr komme ich wieder, dann hat Sara einen Sohn», prophezeite einer der Fremden. Sara lachte darüber, denn sie war bereits eine alte Frau.

Es sei selten, dass in der Bibel jemand lache, so Geisler. Tatsächlich bekam Sara schliesslich einen Sohn, den sie Isaak nannte. Sie wählte einen Namen, der «Gott lacht» bedeutet. «So lachen Sara und Gott am Ende zusammen», so Geisler. Aus einer merkwürdigen Begegnung sei ein gemeinsames, göttliches Lachen entstanden. «Ist das vielleicht der Humor Gottes?», fragte Geisler rhetorisch. «Ein Humor, der sich zeigt, wo wir es kaum für möglich halten?». Er schlug die Brücke zu Demenzbetroffenen und ihren Angehörigen. Zu Menschen, die verschieden unterwegs sind. Die einen in der Vergangenheit, die anderen in der Gegenwart. Und die heilende Wirkung des gemeinsamen Lachens.

Blumen und Plakate

Die pensionierte Pflegefachfrau Lucia Suter hatte im Vorfeld zum Gottesdienst als freiwillige Helferin gemeinsam mit einer Demenzbetroffenen die Blumen in der Kirche arrangiert und aktiv an der Liedauswahl teilgenommen. «Menschen mit Demenz haben die Tendenz, sich zu isolieren», so Suter, die sich noch mehr Inklusion wünscht. Auch Geisler verwies auf die Wichtigkeit eines Miteinanders. Das im Kirchenraum präsentierte Plakat zeigte eine Illustration des Länggasse-Quartiers, in dem sich die Pauluskirche befindet. «Auf dem Plakat treffen sich Menschen mit Rollator, spielende Kinder und Berufstätige», so Geisler. «Sie teilen die Freude am Leben.» Er wünsche sich noch mehr Sichtbarkeit aller Generationen im Quartier, meinte er abschliessend.

 

Text: Helen Lagger
Foto: Andreas Vögeli

         

Weitere Informationen

Kirchgemeinde Paulus Bern
Alzheimer Bern
Alters- und Pflegeheim «Mon Soleil»

Wer ebenfalls einen demenzfreundlichen Gottesdienst durchführen möchte, findet Hilfe und Unterstützung bei Refbejuso im Bereich Sozial-Diakonie.

Kontakt:
Telefon: 031 340 25 66
Mail: Pascal Mösli und Miriam Deuble